Hinduismus und Kastenwesen

Der Hinduismus ist mit etwa 900 Millionen Anhängern die drittgrößte Weltreligion nach dem Christentum und ...

...dem Islam. Die meisten Hindus leben in Indien und Pakistan.

Im Hinduismus geht es um das absolut Göttliche, um das Sein an sich und um die Frage, woher es kommt. Dieses absolut Göttliche nennen Hindus „Brahman“. Brahman selbst ist unvorstellbar, ähnlich wie der christliche Gott. Brahman kann aber auf viele verschiedene Weisen erscheinen. Eine solche Erscheinung nennt man Manifestation.


Von diesen Manifestationen gibt es sehr, sehr viele. Sie sind das, was wir als hinduistische „Götter“ kennen. Heute sind vor allem drei Manifestationen am wichtigsten. Brahma ist der Schöpfer: Er hat die Welt erschaffen. Vishnu, der Erhalter, sorgt dafür, dass die Ordnung von Himmel und Erde erhalten bleibt. Shiva ist der Zerstörer: Er zerstört das Schlechte, ist aber auch dafür da, dass etwas neu anfängt und die Dinge weitergehen.

In der Folge vermischten sich die Religionen der Dravidas und der Arier, so entstand der Hinduismus. Zu jener Zeit wurden auch die bis heute wichtigste Schriften des Hinduismus verfasst: die Veden. Darum wird die Epoche von 1.500 bis 800 vor Christus auch als „Vedische Zeit“ bezeichnet.


Um das Jahr 800 vor Christus gewannen die Brahmanen die Vormacht. Diese hinduistischen Gelehrten verbreiteten erste philosophische Schriften im damaligen Indien. Die darauf anschließende Zeit ist die „klassische Zeit“, die von 500 vor Christus bis 800 nach Christus andauerte. In der klassischen Zeit wurden viele Tempel und Götterbilder erschaffen. Die Götter Brahma, Vishnu und Shiva wurden wichtiger, bis sie schließlich zu den hinduistischen Hauptgöttern wurden.


Samsara, der Kreislauf des Lebens besagt, dass die menschliche Seele aus dem Göttlichen, dem Unendlichen kommt. Irgendwann tritt die Seele in den Kreislauf ein und wird zur ersten menschlichen Existenz. Der Mensch versucht, sich in seinem Leben an Dharma, das Gesetz, zu halten und nach Kama, den emotionalen, und Artha, den materiellen Dingen, zu streben. Außerdem soll er durch gute Taten und ein bescheidenes Leben versuchen sein Karma zu verbessern. Das Karma ist eine Art Konto: Wenn ein Mensch in seinem Leben Gutes getan hat, wird ihm das ebenso angerechnet wie das Schlechte.


Nach dem Tod wird die Seele in einem neuen menschlichen Körper wiedergeboren und der Kreislauf beginnt von vorn. Das ständige Verbessern des Karmas hat ein Ziel, nämlich Moksha, die Erlösung. Moksha bedeutet die Befreiung der Seele aus dem Kreislauf des Samsara und den Wiedereintritt ins Göttliche, Unendliche. War das Karma einer Existenz gut, so kommt die Seele dieser Erlösung näher und erhält in der nächsten Existenz eine höhere Stelle in der hinduistischen Ordnung, dem Kastenwesen.

Das indische Kastenwesen

Sein ganzes Leben lang bleibt ein Hindu an seine Kaste gebunden. Die Einteilung der Menschen in Gruppen und eine strenge Rangordnung sind die Merkmale des indischen Kastensystems. Die Religion des Hinduismus, die in Indien ihren Ursprung hat und der über 80 Prozent der indischen Bevölkerung angehören, bezieht sich stark auf die Varnas und die rituelle Reinheit, die einzelnen Kasten zugewiesen wird. Nach der indischen Verfassung von 1950 darf zwar kein Inder wegen seiner Kaste diskriminiert werden. Die Realität jedoch ist eine andere.

Jati, Varna und Kaste

Von Geburt an gehört jeder Inder zu einer bestimmten sozialen Gruppe, einer sogenannten Jati. Diese Gruppe lässt sich häufig am Namen ablesen. Nach Schätzungen gibt es in Indien rund 2000 solcher Jatis. Je nach Jati wird der Mensch bereits mit der Geburt einer Varna, also einer Kaste, zugeordnet.

Kastenordnung

Die klassische Ordnung des Kastensystems gliedert sich in vier Hauptkasten, die Varnas. Diesen vier Hauptkasten ist je eine Farbe zugeordnet. Schon am Personennamen lässt sich oft die Kastenzugehörigkeit erkennen. Die Brahmanen als oberste Kaste sind besonders hoch angesehen und haben die Farbe Weiß. Darunter rangiert die Kriegerkaste der Kshatriya (rot). Darauf folgen die Vaishya (gelb), traditionell Bauern und Kaufleute. An unterster Stelle der vier Varnas stehen die Shudra (schwarz), die meist Diener, Knechte oder Tagelöhner sind. Außerhalb dieser Varnas stehen die „Unberührbaren". Die Menschen selbst nennen sich „Dalit" und betrachten sich als Nachfahren der indischen Ureinwohner. Die Dalit, die oft als Kastenlose bezeichnet werden oder Unberührbaren sind eine Kaste, die allerdings nicht zu den Varnas in der Pyramide zählt. Damit sind sie noch heute in vielen Bereichen vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen und gehen „unreinen" Berufen nach – wie Wäscher, Friseur und Müllbeseitiger. Die meisten von ihnen leben bis heute in Armut.


Heutzutage sind anstelle der Kasten die sozialen Unterschiede hervorgetreten. Wer über ein gutes Einkommen verfügt, fühlt sich der entsprechenden sozialen Gruppe verbunden und weniger seiner Kaste. Seit den 1930er-Jahren gewähren öffentliche Einrichtungen eine bestimmte Anzahl an Mandaten und Positionen den Dalit. Auch Plätze an Universitäten werden nach einem bestimmten Schlüssel an Dalit vergeben. Solche Begünstigungen führen in der Regel zu Auseinandersetzungen mit Angehörigen der höheren, „reinen" Kasten. Dennoch haben es einige Dalit zu hohen Ämtern gebracht: Mit Meira Kumar hat eine „Ex-Unberührbare" seit 2009 das Amt der Parlamentspräsidentin inne. Der amtierende Staatspräsident Ram Nath Kovind ist nach K. R. Narayanan sogar schon der zweite Dalit, der es bis zum Staatsoberhaupt Indiens gebracht hat.

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